Die Katzengeschichte für den Juli:

Jeder braucht ein Zuhause, Teil 2

Am späten Abend des Tages 483 – das Tierheim hat nach offiziellen Öffnungszeiten bereits geschlossen – geht noch einmal die Gittertür auf. Alle anwesenden Katzen heben verwirrt die Köpfe.

Sie hören ihre Pflegerin sagen: „Das ist wirklich eine Ausnahme. Normalerweise haben wir schon zu. Die Tiere sind ihre Zeiten gewöhnt, wissen Sie."

„Es ist sehr nett, dass Sie für mich eine Ausnahme machen".

Marty hebt den Kopf. Das ist mal eine angenehme Stimme!

Durch die Türe kommt eine junge, sportlich gekleidete Frau mit langen roten Korkenzieherlocken herein. Die Locken wippen und hüpfen lustig, wenn sie sich bewegt.

Sie setzt sich auf die Treppenstufe und schaut in die Runde.

„Na, Ihr Lieben, wer von Euch möchte ein Zuhause haben? Ich bin gerade in eine größere Wohnung gezogen und suche einen oder zwei Untermieter. Ich komme mir furchtbar allein vor."

Sie hat den Satz kaum beendet, da poussieren auch schon Freddy, Sissy und Lara um die Frau herum. Marty erhebt sich von seinem Lager und läuft vorsichtig auf sie zu. Die Frau hebt den Kopf und sieht ihn aus leuchtend grünen Augen an. „Du bist ja ein ganz Hübscher! Komm´ mal her!"

Marty dreht sich um, um zu sehen, ob vielleicht noch ein anderer Kater hinter ihm ist, doch dem ist nicht so. Ein ganz Hübscher? Meint sie ihn?

„Ja, Du bist gemeint, komm´ mal her, Kleiner."

Er trottet zu ihr. Sie hält ihm ihre Hand hin, damit er schnuppern kann. Marty gibt Köpfchen und sie krault ihn am Kinn. Währenddessen betrachtet er sie sich genauer. Ihr Gesicht und die Arme sind mit Sommersprossen übersät. Ich liebe Sommersprossen, denkt Marty.

„Das ist Marty, er ist schon über ein Jahr hier. Er gehört leider zu den schwer zu vermittelnden Fällen." sagt die Pflegerin.

„Was? Ein so süßer Kater? Den will niemand?" die Frau blickt ihn ungläubig an. „Magst Du vielleicht, dass ich Dich mitnehme?"

Oh ja! Möchte Marty schreien, aber da er das nicht kann, beschränkt er sich auf ein lautes Schnurren.

„Ich glaube, dass soll „ja!" heißen." meint die Frau mit den roten Locken lächelnd.

„Ja, das glaube ich auch," antwortet die Pflegerin.

„Hat er hier einen Artgenossen, mit dem er sich besonders gut versteht?" fragt die Frau. „Ich wollte eigentlich zwei Katzen haben, dann haben sie Gesellschaft."

„Er ist meist mit Conny und Charly zusammen," sagt die Pflegerin zögernd.

Marty´s kleiner Magen zieht sich zusammen. Jetzt wird es wahrscheinlich ein Problem geben, denkt er.

Die Frau möchte wissen, wer seine Freunde sind. Die Pflegerin führt sie zunächst an Conny´s Körbchen.

Marty sieht gebannt zu, wie die Frau auch Conny erst an ihren Händen schnuppern lässt, um sie dann zu streicheln. Conny schnurrt behaglich.

„Du bist also Marty´s Freundin, ja? Na, wir beide scheinen uns ja auch zu verstehen. – Und wer ist nun Charly?"

Die Pflegerin geht in den Garten, um Charly zu holen. Mit dem dreibeinigen Kater auf dem Arm kehrt sie in das Zimmer zurück.

„Oh, der ist ja auch süß! Was ist mit seinem Bein passiert?" fragt die Frau.

„Es war ein Autounfall. Sein ursprünglicher Besitzer wollte ihn nicht mehr, nachdem ihm ein Bein amputiert werden musste."

Die Frau schüttelt verständnislos den Kopf. „Da ist so ein Tier jahrelang treu bei seinem Besitzer, dann passiert so etwas und es wird einfach abgegeben, als ob es nichts mehr wert seien."

Ungläubig schaut Marty zu, wie die Frau Charly krault, der etwas verunsichert zu schnurren beginnt.

Die Frau bleibt lange mit der Pflegerin auf der Treppenstufe sitzen, Marty auf dem Schoß, Charly links neben ihr, Conny rechts neben ihr, krault alle drei und spricht leise mit ihnen.

Marty wähnt sich in einem Traum. Gleich wird er aufwachen, wie so viele Male zuvor und dies Gebilde wird wie eine Seifenblase zerplatzen. Die Frau sucht bloß zwei Katzen, nicht drei. Sie wird zwei gesunde kleine Kätzchen nehmen wollen und nicht drei Veteranen....

Nach einer ganzen langen Weile fragt die Frau die Pflegerin: „Hätten Sie drei Transportboxen, die sie mir leihen könnten?"

„Drei?" fragt die Pflegerin schmunzelnd. „Wollten sie nicht eigentlich nur zwei Katzen mitnehmen?"

„Also, diese drei Freunde können wir unmöglich trennen." meint die Frau lächelnd.

„Sie wollen wirklich alle Drei mitnehmen?"

Marty´s kleines Herz pocht ganz aufgeregt und er hält die Luft an, während er der Antwort lauscht.

„Ja, sie sind alle Drei sehr liebenswert und ich denke, ich kann ihnen ein gutes und liebevolles Zuhause bieten."

Marty japst vor Freude nach Luft, während er sich hochreckt und begeistert nach einer ihre roten Korkenzieherlocken schnappt.

Ende

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                                                                                                     © T. Schwark 2006

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